„Die Lebensgeschichte der Frauen, die zu uns kommen, ähneln den Filmen mit Happy End in den seltensten Fällen“, sagt Waltraud Weber. Sie ist Sozialarbeiterin bei der Beratungsstelle Frauen helfen Frauen in Not. Frauen in Not, das sind Frauen, die psychische oder physische Gewalt erlebt haben. Frauen in Not, das sind Frauen jeden Alters, jeder Herkunft, jeder sozialen Schicht. Es gibt die, die mit eisernem Willen kommen. Andere, die sich jahrelang nicht getraut haben, über ihre Gewalterfahrungen zu sprechen. Frauen, die den ersten Schritt wagen und dann Jahre brauchen, um den nächsten zu gehen. Das ist ganz normal. Weber ist für die Frauen da, solange sie sie brauchen. Auch beim zehnten Anlauf öffnet sie die Tür zu ihrem Büro in Petershausen. Das nimmt den Druck. „Die Frau hat die Regie. Sie allein bestimmt, wie und wohin es geht“, sagt Weber.
Jede vierte Frau wird mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt durch ihren Partner oder Ex-Partner. Hilfe holen sich die wenigsten Betroffenen, gerade einmal 20 Prozent. 293 Fälle von Frauen in Not hat die Beratungsstelle im vergangenen Jahr bearbeitet. Gewalt in Ehe und Partnerschaft, sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung sowie Stalking und digitale Gewalt, aber auch Menschenhandel, Gewalt im Rahmen von Prostitution und Genitalverstümmelung – Gewalt gegen Frauen hat viele Ausprägungen. „Je länger ich in dem System häuslicher psychischer und physischer Gewalt bin, in dem mir jemand sagt, dass ich nicht in Ordnung bin, desto mehr verschiebt sich auch mein Wahrnehmungssystem“, sagt Claudia Nicolay, ebenfalls Mitarbeiterin der Beratungsstelle. Gedanken wie: Ich muss etwas getan haben, was ihn provoziert hat. Ich bin schuld. Wer sieht, dass es eben nicht die eigene Schuld ist, sucht sich deutlich leichter Hilfe.
„Oft sind wir auch ein Spiegel für das, was die Frau sowieso schon fühlt. Nämlich, dass etwas nicht stimmt. Es macht schon viel aus, ihr das einfach zu sagen: Nein, das ist so nicht in Ordnung, das ist schon Stalking oder Gewalt.“
Claudia Nicolay
Als Gewalt gegen Frauen werden alle Handlungen geschlechtsspezifischer Gewalt, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden bei Frauen führen oder führen können, bezeichnet. Darunter fällt auch schon die Androhung solcher Handlungen, die Nötigung oder der willkürliche Freiheitsentzug. Finden diese Handlungen innerhalb der Familie oder des Haushalts oder zwischen früheren oder derzeitigen Eheleuten oder Partner:innen statt, spricht man von häuslicher Gewalt.
Wie ist die Lage im Landkreis Konstanz?
Seit Jahren gibt es eine Steigerung der Fallzahlen im Bereich von häuslicher Gewalt: Waren es im Jahr 2018 im Landkreis Konstanz noch 315 Straftaten im Zusammenhang mit häuslicher Gewalt, mussten im Jahr 2019 bereits 371 Fälle verzeichnet werden. Der zwischenzeitliche scheinbare Rückgang im Jahr 2020 (318 Taten) ist nach hiesiger Sicht mit dem Dunkelfeld während des Corona-Lockdowns zu erklären. Danach kam es bereits 2021 wieder zu 341 und im Jahr 2022 zu 340 bekannt gewordenen Straftaten. „Für das laufende Jahr können momentan noch keine tatsächlichen Zahlen genannt werden, der steigende Trend muss jedoch auch hier leider bestätigt werden“, sagt Polizeihauptkommissar Tobias Horn von der Koordinierungsstelle „Häusliche Gewalt“ des Polizeipräsidiums Konstanz. 80 Prozent der Opfer in den Zahlen sind Frauen.
Bei etwa 75 Prozent der Straftaten handelt es sich um Körperverletzungsdelikte. 15 Prozent davon sind Fälle der gefährlichen oder schweren Körperverletzung. Weitere häufig auftretende Straftaten sind die Bedrohung und insbesondere die Nachstellung. „Stalking beschreibt das wiederholte Terrorisieren, Belästigen, Bedrohen oder Verfolgen einer Person gegen deren Willen. Diese psychische Gewalt wirkt sich regelmäßig massiv auf das Leben der Geschädigten aus“, so Horn.
„Die regionalen und überregionalen Unterstützungssysteme leisten eine sehr gute Arbeit, aber die steigenden Zahlen der Gewalttaten – bis hin zu Femiziden – zeigen, dass noch viel mehr getan werden muss, um Gewalt vorzubeugen, sodass es nicht gar nicht erst bis zum Äußersten kommt“
sagt die Gleichstellungsbeauftragte im Landkreis, Petra Martin-Schweizer.
Bist du von Gewalt betroffen? Du erreichst die Beratungsstelle Frauen helfen Frauen in Not unter 07531 67999, das Frauenhaus Konstanz unter 07531 15728 oder das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen unter 116 016. Dort kannst du dich an 24 Stunden und 365 Tagen im Jahr anonym und kostenfrei beraten lassen. Im Akutfall wähle den
Polizei-Notruf 110.
Istanbul-Konvention in der Praxis
„Oft handelt es sich ja von außen um eine intakte Familie. Da sagen die Freunde bei einem gemeinsamen Essen noch ‚Was hast du für einen netten Mann‘ und kaum ist die Tür zu, zeigt sich die andere Seite“, sagt Nicolay. Eigentlich haben alle Akteur:innen in Deutschland spätestens mit der Istanbul-Konvention einen klaren Auftrag. Die Konvention wurde auf europäischer Ebene beschlossen und trat 2018 in Deutschland in Kraft. Zweck dieses Übereinkommens ist unter anderem, „Frauen vor allen Formen von Gewalt zu schützen und Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt zu verhüten, zu verfolgen und zu beseitigen. Dabei sind alle staatlichen Akteur:innen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene in der Pflicht, dem nachzukommen. „Aktuell müssen wir einen deutlichen Rückzug der Unterstützung der Arbeit gegen Gewalt gegen Frauen aus der Politik feststellen. Das spricht gegen die Umsetzung der Istanbul-Konvention, die Kommunen auffordert, Gewalt gegen Frauen zu reduzieren, auch strukturelle Gewalt gegen Frauen“, sagt Ruth Bader vom Frauenhaus Konstanz.
„Es gibt zwar rechtliche Schritte gegen Gewalttäter, aber selbst wenn das Recht auf meiner Seite ist, heißt es ja nicht, dass der Täter sich daran auch hält“, sagt Waltraud Weber. Neben der Konvention als Basis sind weitere Gesetze für Frauen in Gewaltsituationen relevant. Laut Polizeigesetz Baden-Württemberg kann die Polizei dem vermeintlichen Täter einen sofortigen Platzverweis für vier Werktage aussprechen. Dieser kann dann in der Folge durch die zuständige Ortspolizeibehörde um weitere zwei Wochen verlängert werden. In dieser Zeit soll die Antragstellung nach dem Gewaltschutzgesetz ermöglicht werden. „Die mehrtägige Frist des polizeilichen Wohnungsverweises gibt den Opfern die Möglichkeit, in Ruhe Beratung in Anspruch zu nehmen, bei einer Hilfeeinrichtung vor Ort Unterstützung zu holen und zivilrechtlichen Schutz zu erwirken“, sagt Horn vom Polizeipräsidium Konstanz.
Abhängigkeit und Macht
Das Gewaltschutzgesetz (GewSchG) schützt grundsätzlich alle Menschen, die von Gewalt oder Androhung von Gewalt betroffen sind. Die Regelungen erfassen dabei sowohl häusliche Gewalt als auch Gewalt außerhalb von Nähebeziehungen. Außerdem bietet das Gesetz Schutz vor unzumutbaren Belästigungen durch Stalking, durch Maßnahmen wie den Wohnungsverweis, ein Rückkehrverbot, eine vorläufige Wohnungsüberlassung, ein Kontaktverbot und Näherungsverbot. „Diese Maßnahmen können die Gefahr weiterer Gewalt verringern“, so Horn vom Polizeipräsidium Konstanz. Außerdem stehen den Opfern die Entschädigung über das Opferentschädigungsgesetz, psychosoziale Prozessbegleitung, rechtliche Beratungshilfe oder Prozesskostenhilfe zur Verfügung. „Allein zu wissen, welche rechtlichen Möglichkeiten es gibt, kann schon viel ausmachen“, sagt Claudia Nicolay von der Beratungsstelle. „Die Täter erzählen auch absichtlich viele Dinge, die nicht stimmen, zum Beispiel, dass die Kinder dann weggenommen werden oder dass man zurück ins Heimatland muss.“
Im Rahmen der häuslichen Gewalt kommt es laut Polizei zu verschiedensten strafrechtlich relevanten Sachverhalten. „In diesem Zusammenhang muss als ein Instrument zur Verhinderung von Gewalt an Frauen sicherlich die Strafanzeige genannt werden. Durch die Strafanzeige erkennt der Täter, dass es im Rechtsstaat Folgen nach sich zieht, wenn Gewalt ausgeübt wird“, so Horn. „Es kommen hier verschiedenste Straftatbestände des Strafgesetzbuches zum Tragen, beispielhaft: die Körperverletzung, Nachstellung, Bedrohung, Beleidigung, Nötigung, bis hin zu Mord.“ Das Problem dabei ist, dass viele Frauen sich diesen Schritt nicht trauen. Scham, Angst, mangelndes Selbstvertrauen, Zukunftsängste und mangelndes Wissen über Hilfestellen halten betroffene Frauen oft davon ab, sich Hilfe zu holen – die Opfer sind häufig isoliert. „Diese Männer können sich sehr gut nach außen verkaufen. Viele Frauen glauben auf Basis ihrer Erfahrungen und ihrer Angst, dass eher dem Mann geglaubt wird als ihr“, so Weber.
Bei von Männern ausgeübter Gewalt im häuslichen Bereich gibt es in der Regel ein Zusammenspiel von ökonomischen, physischen und psychischen Faktoren. Das Geschlechterverhältnis ist in diesen Fällen ein ungleiches: Häufig spielen eine (gefühlte) finanzielle und psychische Abhängigkeit der Frau sowie Machtausübung und Dominanz des Mannes eine große Rolle. Beachtet man zudem die große Häufigkeit solcher Fälle, wird klar, dass es sich bei häuslicher Gewalt gegen Frauen um ein gesamtgesellschaftliches Problem handelt. „Ein Teil der Lösung führt dabei über die Gleichstellung. Diese trägt dazu bei, solche Abhängigkeitsverhältnisse zu vermeiden“, sagt Petra Martin-Schweizer. „Hier können Eltern und Bildungseinrichtungen in der Erziehung und Bewusstseinsbildung der Kinder einen großen Beitrag leisten.“
Wie geht die Polizei bei häuslicher Gewalt vor?
Nach Eingang eines Notrufes trifft die Polizei unverzüglich am Einsatzort ein. Das erste Ziel ist die Gefahrensituation zu beenden und eine ärztliche Versorgung sicherzustellen. Dann greifen Sofortmaßnahmen wie den Täter der Wohnung zu verweisen, ein Rückkehrverbot auszusprechen, Fremdunterbringung des Opfers, eventuell Maßnahmen zum Schutz der Kinder. Sachbearbeiter:innen für häusliche Gewalt übernehmen den Fall und prüfen das Vorgehen anhand des sogenannten ODARA-Bogens. Der Bogen ist ein Instrument zur Gefährdungseinschätzung, das seit 2021 im Rahmen der Umsetzung der Istanbul-Konvention in Baden-Württemberg eingesetzt wird.
„Neben diesem wissenschaftlich erprobten Instrument kommt der Würdigung der Umstände des Einzelfalls immer eine besondere Bedeutung zu“, erklärt Horn. „Am Ende der Gesamtwürdigung steht die Risikoeinstufung.“ In der höchsten Eskalationsstufe wird der Fall als sogenannter Hochrisikofall definiert und mit der Koordinierungsstelle und der Kriminalpolizei abgestimmt. Je nach Risikoeinschätzung werden Fallkonferenzen einberufen. „Fallkonferenzen ermöglichen – immer das Einverständnis des Opfers vorausgesetzt – ein schnelles und behördenübergreifendes Handeln“, so Horn. „An den behördenübergreifenden Fallkonferenzen nehmen je nach Sachlage Polizei, Ordnungsamt, Jugendamt, Ausländerbehörde, Staatsanwaltschaft teil.“
Frauenhäuser am Limit
„Öffentlichkeitsarbeit ist die beste Prävention. Information über Zahlen, gesellschaftliche Entwicklungen, politische Zusammenhänge zu strukturellen Gewalt gegen Frauen und zur finanziellen Förderung von Tätern“, sagt Ruth Bader vom Frauen- und Kinderschutzhaus Konstanz. Das Frauen- und Kinderschutzhaus bietet Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen oder bedroht sind, eine schnelle Schutzunterkunft. Die Adresse des Hauses ist anonym. Die Frauen sind nur über eine Postfachadresse erreichbar. Es gibt keinen Besuch von außen im Haus. Auch die Kinder dürfen keine Schulkamerad:innen zu Besuch haben.
„Unser Konzept ist es, den Frauen Hilfe zur Selbsthilfe zu geben“, sagt Bader. Im Vordergrund stehen Empowerment durch Information, Training im Umgang mit Behörden, Erkennen und Umsetzen der eigenen Bedürfnisse, Herauskommen aus der Opferrolle, Reflexion der Gewalterfahrung durch Psychoedukation. „Frauen, die es durch den Aufenthalt im Frauenhaus schaffen, sich vom Täter zu trennen, haben eine große Chance, recht schnell ein gewaltfreies Leben für sich und ihre Kinder zu etablieren.“ Doch die Frauenhäuser sind überfüllt. Die Häuser in Konstanz, Singen und Radolfzell müssen immer wieder schutzsuchende Frauen abweisen. Und fühlen sich vom Staat im Stich gelassen. Das zeigt: Von häuslicher Gewalt betroffene Frauen sind in Deutschland noch immer nicht ausreichend geschützt. Bundesweit fehlen immer noch rund 3.470 Plätze.
Ein großes Problem des Konstanzer Frauenhauses ist die Finanzierung. In Baden-Württemberg gibt es bis heute kein Landesgesetz zur finanziellen Förderung von Frauenhäusern. Die Finanzierung der Frauenhäuser obliegt den 44 Landkreisen und Kommunen. Ein entsprechender Gesetzentwurf zur besseren finanziellen Unterstützung der Häuser wurde im März 2023 im baden-württembergischen Landtag mit der Begründung abgelehnt, dass der Bund zuständig sei.
Rund 1.200 Frauen suchten 2021 in Baden-Württemberg Zuflucht in Frauenhäusern, oft mit ihren Kindern. Wenn Frauen Gewalt droht, sind sie dort zunächst in Sicherheit. Allerdings gibt es in ganz Baden-Württemberg und in vielen Landkreisen starke finanzielle Einschränkungen bei der Aufnahme. Wenn eine Frau beim Jobcenter oder Sozialamt keinen Anspruch auf Leistungen zur Finanzierung des Aufenthalts hat, entstehen Probleme. „Die größte Hürde bei der Aufnahme in ein Frauenhaus ist die Finanzierung“, erklärt Bader. Das kann zum Beispiel Studentinnen, Rentnerinnen, Asylbewerberinnen oder berufstätige Frauen betreffen. Die Frauenhäuser versuchen dann mit viel Aufwand, die Finanzierung zu organisieren. Doch im schlimmsten Fall müssen sie die Frauen wieder wegschicken. „Das ist eine sehr große Gruppe, die aus finanziellen Gründen keinen Zugang zu einem Frauenhaus hat“, sagt Bader.
Im Jahr 2022 hat das Frauenhaus 25 Frauen und 43 Kinder aufgenommen. Das sind zehn Frauen und 22 Kinder mehr als im Vorjahr. Im Durchschnitt blieben die Frauen nur 45,5 Tage, das sind 13,5 Tage weniger als im Vorjahr. Gestiegen ist allerdings die Rückkehrquote in das Gewaltsystem: 32 Prozent der Betroffenen kehrten dorthin zurück. Die Gründe: Es fehlte vor allem an Lebensperspektiven. „Jede Bewohnerin wird abhängig von Arbeitslosengeld II, keine der aufgenommenen Frauen hat eine Chance auf dem Konstanzer Wohnungsmarkt, nur sehr wenige Grundschulkinder haben schnell die Chance auf einen Schulplatz und damit Zugang zu Bildung, die medizinische Versorgung ist schlecht“, heißt es im Jahresbericht des Frauenhauses.
Es braucht Prävention und Aufmerksamkeit
„Das Verhalten, das nicht in Ordnung ist, zeigt sich oft sehr früh. Wenn ich das als Frau schnell erkenne, wenn ich noch am Anfang der Gewalt stehe, habe ich die Chance, ohne größeren Schaden aus der Situation herauszukommen. Aber je länger es dauert, desto schlimmer sind die Folgen“, sagt Waltraud Weber. Rund 180.000 Menschen wurden im Jahr 2022 in Deutschland Opfer von Gewalt in der Partnerschaft. 80 Prozent davon waren Frauen. Im Vergleich zum Vorjahr stieg die Zahl der gemeldeten Fälle in Baden-Württemberg um rund 13 Prozent – die Dunkelziffer dürfte weitaus höher liegen.
„Frauen haben ein sechsfach höheres Risiko, Opfer von Gewalt zu werden, wenn sie Gewalt in der Familie erlebt haben. Männer haben ein höheres Risiko, Täter zu werden, wenn sie Gewalt in der Familie miterlebt haben. Deshalb ist Prävention so wichtig.“
Claudia Nicolay
Der 25. November, der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen, bringt das Thema auf die Tagesordnung. Medien berichten, Politiker:innen äußern sich, Initiativen wirken mit Veranstaltungen in die Stadtgesellschaft hinein. Auch die „Aktion Rote Bank“ der Beratungsstelle Frauen helfen Frauen in Not e.V. holt das Thema aus der Tabuzone in die Öffentlichkeit. Die Rote Bank, „La Panchina Rossa“, wurde erstmals im italienischen Perugia aufgestellt, um auf die vielen Fälle häuslicher Gewalt gegen Frauen aufmerksam zu machen.
Seit März dieses Jahres wurde die Rote Bank abwechselnd an verschiedenen Orten im Landkreis aufgestellt. „Je mehr man darüber spricht, desto eher gehen die Frauen auch den Weg, um sich Hilfe zu suchen“, sagt Waltraud Weber. „Eigentlich wollen wir ja gar nicht, dass es so weit kommt, dass eine Frau sich bei uns Beratung suchen muss.“
Öffentlichkeitsarbeit kann helfen, Frauen zu zeigen, dass sie nicht allein sind und dass sie sich an Hilfseinrichtungen oder eine Vertrauensperson wenden können. „Wenn der Verdacht besteht, dass eine Frau, die sich verändert oder zurückzieht, Opfer von Gewalt sein könnte, braucht es Mut, sie darauf anzusprechen. Es ist aber sehr wichtig, der Frau zu signalisieren, dass ihre Veränderung wahrgenommen wird und dass es jemanden gibt, mit dem sie sprechen kann“, sagt Martin-Schweizer.
Das muss sich verändern
Die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Konstanz hält eine flächendeckende Akutversorgung in Gewaltambulanzen für dringend erforderlich. In den Gewaltambulanzen werden die Opfer mit der notwendigen Sensibilität umfassend medizinisch und psychosozial betreut und können anonym und vertraulich Spuren in der Rechtsmedizin sichern lassen, wenn sie nicht sofort Anzeige gegen den oder die Täter erstatten wollen. „Eine Anzeige ist dann zu einem späteren Zeitpunkt mit gerichtsverwertbaren Dokumentationen und Beweismitteln möglich“, so Martin-Schweizer.
Das empfiehlt auch die Konstanzer Polizei: „In allen Kliniken im Zuständigkeitsbereich des Polizeipräsidiums Konstanz sind Spurensicherungssets zur anonymen Spurensicherung durch die Kriminaltechnik hinterlegt. Damit ist eine spätere Strafanzeige auch spurentechnisch gesichert.“ In Baden-Württemberg gibt es bislang nur vier Gewaltambulanzen: in Heidelberg, Stuttgart, Ulm und Freiburg. „Für Frauen aus unserer Region ist es nicht zumutbar, direkt nach sexueller Gewalt eine der Gewaltambulanzen aufzusuchen. Hier wäre eine flächendeckende Versorgung unbedingt notwendig und nach der Istanbul-Konvention auch verpflichtend“, so Martin-Schweizer. „Die Beratungslandschaft weist leider eine unterschiedliche Dichte auf. Auch sind Frauenhäuser nicht in jedem Landkreis vorhanden. Die finanziellen Mittel der Kommunen und Landkreise für diesen Bereich sind regelmäßig begrenzt“, sagt auch Horn von der Polizei Konstanz.
„Leider wird bislang kaum Täterberatung angeboten. Hier muss deutlich hervorgehoben werden, dass es sich bei Täterberatung auch um indirekten Opferschutz handelt.“
Tobias Horn
Es ist bekannt, dass viele Männer, die in ihrer Kindheit selbst Gewalt erfahren haben, als Erwachsene selbst zu Tätern werden. Männerberatungsstellen können diesen Männern helfen, sich mit dem Erlebten auseinanderzusetzen und wieder eine gute Beziehung zu sich selbst, zu ihrer Umwelt und zu ihrer Partnerschaft aufzubauen.
„Männer sprechen noch viel seltener als Frauen über die Scham, die Ängste und die Wut, die Gewalterfahrungen in ihrem Leben ausgelöst haben. Diese Gewaltspirale, die sich im Erwachsenenalter oft wiederholt, gilt es zu durchbrechen“, so Martin-Schweizer. Doch auch hier gebe es in Baden-Württemberg Nachholbedarf. Zwar rückt das Thema langsam immer mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung. Doch das Bewusstsein erfordert auch Konsequenzen und Handeln.
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