Immer, wenn die Konstanzer Schauspielerin Heinke Hartmann von der Marktstätte kommend Richtung Hafen läuft, dann wächst so ein unkontrollierbares Glücksgefühl in ihrem Körper. Auf der Höhe des Kaiserbrunnen fängt es an. Erst nur klein in ihrem Bauch, von dort wächst es mit jedem Schritt und wandert vom Herzen immer weiter nach oben, bis es im Gesicht ankommt. „Ich freue mich einfach, dass ich ein kleiner Teil dieser großen Geschichte bin“, sagt Hartmann. Ein Mittwoch im April im Konstanzer Hafen: Die 64-Jährige trägt ein rotes Halstuch, eine beigefarbene Jacke und ein freundliches Lächeln.
<!– Paywall –>Die große Geschichte, das ist in ihrem Fall die Imperia. Über ihren Anteil daran hat die Schauspielerin bislang nie öffentlich gesprochen. „Bis zu Ihrer Mail hat mich nie jemand danach gefragt. Ich bin auch nicht der Typ Mensch, der mit solchen Geschichten hausieren geht“, erklärt Heinke Hartmann dieses überraschend gut gehütete Geheimnis in einer doch eher zur Geschwätzigkeit neigenden Stadt wie Konstanz. Dabei ist die Geschichte viel zu gut, um sie unerzählt zu lassen. Also: Heinke Hartmann war mal die Imperia. Zumindest für zwei Stunden. Im Atelier von Peter Lenk, dem Schöpfer der Figur. Heinke Hartmann war das Modell, nach der er die Imperia baute.
Es war ein Sonntag im Jahr 1992, als die Schauspielerin, die zu der Zeit am Konstanzer Stadttheater engagiert war, in Lenks Atelier in Bodman aufkreuzte. An das Kleid, das sie damals auf dem Podest trug, erinnert sie sich noch heute: „Es war eine Art barockes Krönungsgewand mit einer zwei Meter langen Schleppe. Schwere dunkelrote Seide, goldbestickt, tief ausgeschnitten, sehr tief“, sagt Hartmann und lacht. Die Atmosphäre sei entspannt gewesen. „Ich mochte Peter und seine Frau Bettina sehr, die sind einfach ein tolles Paar, deshalb habe ich auch sofort zugesagt, als er mich gefragt hatte“, blickt die Schauspielerin zurück.
„Ich glaube, ich war in dem Moment eher eine Art Muse für Peter Lenk.“
Heinke Hartmann, Schauspielerin
Ob sie damals wusste, wofür sie da Modell stand? Peter Lenk habe im kleinen Kreis offen darüber gesprochen, es sei aber auch klar gewesen, dass die Information den Kreis nicht verlassen sollte. „Die Statue, an der Lenk damals gearbeitet hat, war etwa so groß wie ein Mensch. Dass die Imperia mal neun Meter groß und das Wahrzeichen von Konstanz werden würde, habe ich nicht geahnt“, erinnert sich Hartmann. Was ihr damals auch durch den Kopf ging: „Ich hatte nicht das Gefühl, dass es mich tatsächlich für die Formen der Figur brauchte. Ich glaube, ich war in dem Moment eher eine Art Muse für Peter Lenk.“
„Wobei“, sagt Heinke Hartmann und hält kurz inne, „das Knie, ich glaube, das ist schon von mir“. Sie lächelt dann so bezaubernd, dass man sich heute noch gut vorstellen kann, warum Peter Lenk sie damals als Modell ausgewählt hat. Sie hält es allerdings für wahrscheinlich, dass der Bildhauer auch noch andere Modelle in sein Atelier gebeten hatte. Aber: Die einzige, über die Peter Lenk in seinem neuen Buch „Imperia Konstanz. Eine tolldreiste Geschichte“ schreibt, ist Heinke Hartmann. „Mit üppigen blonden Locken, blauen Augen und samtiger Haut stand Heinke auf einem kleinen Schemel in meiner Werkstatt“, notiert Lenk darin.
„Mit üppigen blonden Locken, blauen Augen und samtiger Haut stand Heinke auf einem kleinen Schemel in meiner Werkstatt.“
Peter Lenk, Bildhauer
Demnach sei es bei dem Treffen auch darum gegangen, einen Ingenieur der Bodensee-Schiffsbetriebe (BSB) von dem Projekt zu überzeugen. Die BSB waren Eigentümer des Molenturms und insofern zentral für die Umsetzung. Stimmt es, was Lenk schreibt, dann war der Termin mit Heinke Hartmann ein Erfolg: „Genau so muss sie aussehen, die neue Hafenfigur! Nicht anders. Ich bin dabei, bin bereit, Basisarbeit zu leisten. Ich empfehle strengste Geheimhaltung“, soll der Ingenieur laut Lenk danach gesagt haben. Die Dinge nahmen ihren Lauf. An den Ingenieur erinnert sich Hartmann nicht mehr so genau, „es kann aber gut sein, dass es so war, wie Lenk schreibt“, sagt die Schauspielerin.
Kennengelernt hatte sie den Bildhauer im Theaterumfeld. Eine Boulevardkomödie, in der sie damals mit ihrer Kollegin Anuk Ens spielte, begeisterte Peter Lenk so sehr, dass er regelmäßig mit Rosen zur Aufführung erschien. „Das war ein einfaches, eher derbes Stück, das wir mit großer Wonne gespielt haben“, erinnert sich Hartmann. „Plädoyer für Promiskuität“ nannte die Thurgauer Zeitung die Produktion („Diese Männer“ von Mayo Simon) in ihrer Besprechung im Dezember 1991. Man ahnt, warum Peter Lenk daran Gefallen gefunden hatte.
„Plädoyer für Promiskuität“ nannte die Thurgauer Zeitung das Stück, in dem Peter Lenk Heinke Hartmann entdeckte
Nach den Aufführungen trafen sie sich immer mal wieder im größeren Kreis auf einen Wein. Der Bildhauer und die Schauspielerin freundeten sich an „und irgendwann habe er dann gefragt, ob ich mal zum Modellstehen in sein Atelier kommen könnte“, sagt Heinke Hartmann.
Wie groß die Sache mit der Imperia wurde, hat sie dann gar nicht mehr mitbekommen. Noch vor der Aufstellung der Statue hat sie Konstanz verlassen. „Ich war jung, mir ist die Decke auf den Kopf gefallen. Es war mir alles zu eng, zu behäbig, zu gediegen hier“, blickt Hartmann zurück. Sie musste raus und arbeitete an Theatern in Hannover, Lübeck, Liechtenstein und Zürich. Erst viele Jahre später kehrte sie zurück an den Bodensee. Und als wäre diese ganze Geschichte nicht eh schon verrückt genug, hat auch das mit der Imperia zu tun.
Wie die Imperia zur Ehestifterin wurde
Heinke Hartmann hatte damals einen Mann kennengelernt. Einen Italiener. Sie trafen sich. Sie mochten sich. Es war aber nicht so klar, was aus den beiden werden würde. „Dann ging eine Freundin von mir damals mit Giuseppe an der Imperia vorbei und sagte zu ihm: ‚Wusstest du eigentlich, dass die Heinke Modell gestanden hat für diese Figur?‘ Danach war sein Interesse an mir nochmal stärker geworden. Heute sind wir glücklich verheiratet“, sagt Hartmann lächelnd.
Die Imperia als Ehekupplerin. Viel besser kann diese Geschichte nicht enden.
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