Bist du in letzter Zeit an der Konstanzer Tafel in der Max-Stromeyer-Straße vorbeigekommen? Dort stehen täglich über 100 Menschen in einer Schlange, um im Tafelladen einkaufen zu dürfen. Unter den Bedürftigen sind derzeit vor allem Ukrainer:innen. Die Tafel geht davon aus, dass sich auf Grund der hohen Energiepreise und der Inflation bald auch Deutsche, die bisher nicht bedürftig waren, anstellen werden.
Um die Tafeln zu unterstützen, hat das Sozialministerium Baden-Württemberg nun eine Förderung zugesagt. Die Höhe ist bisher nicht bekannt. „Mit dieser Förderung können wir Tafeln, die durch die Entwicklung Probleme haben, unterstützen. Auf Landesebene werden wir an der Logistik und Lagerung arbeiten und Stellen schaffen“, sagt Udo Engelhardt, erster Vorstand der Tafeln im Landkreis Konstanz.
Bereits im Juni musste der Tafelladen in Konstanz die Reißleine ziehen und einen Aufnahmestopp verhängen. Durch den anhaltenden Krieg und die Energiekrise ist Entspannung nicht in Sicht.
„Wir können nicht sagen, wer von den Ukrainer:innen wirklich bedürftig ist. Das können wir nicht kontrollieren und das ist auch nicht unsere Aufgabe. Klar ist jedoch, dass mehr kommen, als wir bedienen können“,
sagt Anita Hoffmann, Gründerin der Konstanzer Tafel.
Normalerweise dürfen nur Menschen mit einem Sozialpass der Stadt Konstanz oder entsprechenden Unterlagen vom Jobcenter im Tafelladen einkaufen gehen. Wer von den kürzlich angekommenen Ukrainer:innen den Konstanzer Sozialpass bereits beantragt hat, ist unklar.
Vor 18 Jahren wurde die Tafel gegründet und ist für jene Menschen da, die sich die normalen Supermarktpreise nicht leisten können. Vor allem für Geflüchtete ist der Tafelladen eine wichtige Anlaufstelle. „Obdachlose kommen nicht zu uns. Sie haben keine Möglichkeit zu kochen, wir verkaufen rohe Lebensmittel und sind keine Kantine.“ Anita Hoffmann kennt ihr Klientel. Gemeinsam mit den 43 ehrenamtlichen Helfer:innen öffnet sie vier Mal die Woche die Tafeltore.
Jede:r weiß, was zu tun ist
Während maximal sechs Kund:innen gleichzeitig den Laden betreten dürfen, wuseln im Hintergrund die ehrenamtlichen Helfer:innen. So auch Gretel Scholl-Leifert, die einmal die Woche mithilft. Sie sieht sich die Waren genau an, sortiert faules Gemüse oder Obst aus und verstaut sie in eine Kiste, die dann in den Laden gebracht wird. Es ist ein freundliches und sehr geschäftiges Miteinander. „Im Vorfeld werden die Lebensmittel eingeteilt, um zu sehen, wie viel wir welcher Haushaltsgröße geben können. Vor der Öffnung sehen wir, wie viele Menschen da sind. Das klappt in der Regel gut“, sagt Udo Engelhardt.
Die Menschen, die in der Schlange stehen und in der Kälte auf die Lebensmittel warten, sind scheu und geben kaum Auskunft. Das liegt auch an der sprachlichen Barriere. Der Großteil der hier anstehenden Menschen ist aus der Ukraine, spricht selten gebrochenes Englisch und kein Deutsch. Anders aber Christian Gorski. Er kommt schon seit fast zehn Jahren zur Tafel.
„Von meiner Rente mit 500 Euro monatlich kann ich nicht leben.“
Christian Gorski, Tafel-Kunde
Christian macht einen fröhlichen Eindruck, er kennt die Leute, die dort anstehen und tauscht sich rege aus. Er zeigt auf seine Wartenummer. „100“ steht auf dem kleinen Zettel. „Heute muss ich lange warten, aber ich bin warm angezogen.“ Er dreht sich zur Seite, eine Frau aus Russland spricht ihn an. Gorski spricht drei Sprachen – Russisch, Polnisch und Deutsch. Es macht den Eindruck, als fühle er sich wohl in seiner Rolle als Dolmetscher vor der Tafel.
Der Tafelladen ist kein Supermarkt
Viermal die Woche fahren die Ehrenamtlichen zu den Supermärkten und laden die Ware in den Transporter der Tafel ein. „Die Supermärkte müssen auch schauen, wo sie bleiben. Die müssen auch rechnen und sortieren etwas weniger aus als sonst. Aber die Kooperation mit den Geschäften läuft wirklich gut,“ sagt Anita Hoffmann.
Im Laden sind die Kühlregale gut gefüllt, auch an Gemüse und Obst scheint es nicht zu fehlen. „Wir bekommen von den Supermärkten kein Mehl, Zucker, Öl oder Kaffee. Alles, was trocken ist, gibt es hier nicht. Denn diese Lebensmittel haben kein oder ein sehr langes Verfallsdatum. Und Drogerieartikel, die bekommen wir auch nicht.“ Anita Hoffmann freut sich, wenn diese Artikel gespendet werden. Sie sagt aber auch ganz klar: „Wir sind Unterstützer, keine Vollversorger.“ Die Tafel verlangt 10 bis 30 Prozent vom niedrigsten Verkaufspreis. So kostet ein Laib Brot 10 Cent, eine Biomilch 40 Cent.
Zucker, Mehl, Öl, Drogerieartikel und Kaffee werden immer gebraucht. Weitere Infos gibt es auf der Website der Konstanzer Tafel.
Das Motto der Konstanzer Tafel steht den hier arbeitenden Menschen ins Gesicht geschrieben: „Einem anderen geben, was er braucht. Ein Stück Brot, ein Lächeln, ein offenes Ohr. Jetzt – nicht irgendwann.“ Zusätzlich zu den 43 Ehrenamtlichen, die hier nicht nur den Laden am Laufen halten, sondern auch Sorgearbeit leisten, sind zwei Personen festangestellt.
Es kommen mehr
„Bisher stehen nur ein paar Deutsche vor unseren Türen, aber lange kann es nicht mehr dauern: Die Inflation und die hohen Energiekosten – das können sich viele einfach nicht mehr leisten. Die kommen erst noch,“ sagt Anita Hoffmann. Über Weihnachten ist der Tafelladen geschlossen. „Wir brauchen auch mal eine Pause,“ erzählt Gretel Scholl-Leifert, die sich auf besinnliche Feiertage freut. In dieser Zeit müssen die Menschen vor der Tafel auf die Supermärkte ausweichen.
Hoffnung gibt es aber immer: Trotz Aufnahmestopp nahm die Tafel eine fünfköpfige Familie aus Afghanistan auf. „Die waren wirklich bedürftig,“ sagt Hoffmann und schüttelt nachdenklich den Kopf.
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