Eigentlich will Moritz Bauermeister nicht in die Fußstapfen von Rosie treten. Rosie, das ist Rosemarie Arend-Daum, die ehemalige Wirtin des Pavillons am See. „Sie ist ein Unikat und das soll sie auch bleiben“, sagt der 26-Jährige. „Ich will einfach ihre Idee für den Pavillon weiterdenken und daraus wieder eine Institution machen.“ Seit Rosies Tod im August dieses Jahres betreibt Moritz den Pavillon am See allein. Eigentlich studiert er Soziologie und Politik, hat aber schon vor fünf Jahren angefangen, nebenbei im Pavillon zu arbeiten.
Zunächst nur als Studentenjob gedacht, wurde er im April 2022 neben Wirtin Rosie Geschäftsführer. Seitdem versucht er, seine Idee vom Pavillon wieder aufleben zu lassen: „Ich habe den Ort immer als Treffpunkt verstanden, der einen egalisierenden Charakter hat. Hier saßen alle nebeneinander oder an einem Tisch, weil die Atmosphäre vielen gefiel. Das ist ein bisschen verloren gegangen“, sagt Moritz.
Der Pavillon ist von der Stadt verpachtet. Nach dem Tod der bisherigen Pächterin Rosie wurde das Vertragsverhältnis für den Pavillon am See mit ihren Erben fortgesetzt, um den Betrieb zumindest bis zum Jahresende zu ermöglichen. Nach Angaben der Stadt soll der Pachtvertrag neu abgeschlossen werden, sobald mit den Erben eine Einigung über das Vertragsende und die Übergabe erzielt wurde.
„Grundsätzlich ist sowohl eine Fortführung des bisherigen Konzeptes als auch eine Neuausrichtung unter Berücksichtigung der örtlichen und baulichen Gegebenheiten denkbar“, heißt es auf Anfrage von karla. „Die Vorlage eines attraktiven und schlüssigen Konzeptes, das diesem Standort gerecht wird, wird in jedem Fall Voraussetzung für eine Bewerbung und letztlich auch entscheidungsrelevant sein.“ Ein genauer Zeitplan steht noch nicht fest.
Schluss mit „Das haben wir schon immer so gemacht“
Moritz will sich auf jeden Fall um die neue Pacht bewerben. Einen Vorteil in der Bewerbungsphase sieht er nicht. „Ich habe den Vorteil, dass ich mich schon auskenne, meine Erfahrungen aus der Arbeit und meinem Studium hier einbringen kann und vor allem mit ganzem Herzen am Pavillon hänge. Aber jeder soll seine Chance bekommen“, sagt Moritz. Sein Plan, wenn er den Pavillon weiterführen könnte: den Betrieb in jeder Hinsicht auf den neuesten Stand bringen. Dabei geht es ihm vor allem um Müllvermeidung, den Umgang mit den hohen Energiekosten in der Gastronomie, aber auch um das Wohlbefinden des Teams. Für all das hat er seit seinem Start als Geschäftsführer bereits die Weichen gestellt. „Wir haben schon einiges erreicht, aber es gibt noch viel zu tun“, sagt Moritz. Auch bei der Preisgestaltung will er ansetzen:
„Ich bin kein Fan von der alten Art und Weise in der Gastronomie, Preise aus dem Bauch heraus zu machen und ohne Konzept zu arbeiten. Das würde ich gerne noch einmal neu angehen und aufbauen. Die Zeiten von ‚Das haben wir schon immer so gemacht‘ sind vorbei“,
sagt Moritz.
Dahinter steckt das Ziel, den Pavillon wirtschaftlicher zu machen und damit auch bessere Löhne zahlen zu können.
Denn gutes Personal ist schwer zu finden. Vor allem für den Pavillon, der ein Saisonbetrieb ist. Das Hauptgeschäft ist von März bis Ende Oktober, die Zeit des Weihnachtsmarktes ist noch einmal ein wichtiges Geschäft. Aber dann schließt der Pavillon bis zum Frühling. Das Kernteam besteht derzeit aus sieben Personen, in der Saison müssen es aber 20 Mitarbeitende sein, um die Arbeit bewältigen zu können. Um dem Personalmangel zu begegnen, hat Moritz Methoden aus seinem Soziologiestudium eingebracht, um herauszufinden, wo die Probleme liegen und um die Zufriedenheit im Team zu verbessern. Sein Ansatz ist auch, Menschen in der Gastronomie eine Chance zu geben, die bisher gesagt haben: „Ich komme in der Gastronomie nicht unter“ – zum Beispiel Menschen mit Behinderungen oder Geflüchtete mit schlechten Deutschkenntnissen.
Rosies Wissen als Basis für die Zukunft
Moritz kommt ursprünglich aus Hannover, hat dann lange mit seinen Eltern im Landkreis Konstanz gelebt, bevor er 2017 zum Studium nach Konstanz gezogen ist. Vor einigen Jahren hat er ein Unternehmen mitgegründet, das sich auf Vertical Farming spezialisiert hat. Vertical Farming bezeichnet den Anbau von Pflanzen auf vertikal übereinander angeordneten Wachstumsflächen, eine platzsparende Art des Pflanzenanbaus. Nach einiger Zeit stieg er aus. Der Traum vom eigenen Restaurant hatte ihn schon länger begleitet, nur wusste er nicht, in welcher Form.
Eigentlich, so Moritz, habe er gedacht, dass er als introvertierter Mensch nicht der Typ für die Gastronomie sei. Doch als er dann seine ersten Erfahrungen sammelte, machte es ihm „wider Erwarten Spaß“, wie er sagt. Als er dann im Pavillon anfing, war das anders – vor allem die Arbeitsatmosphäre hat Moritz schnell begeistert. Deshalb ist seine Identifikation mit dem Pavillon am See auch sehr groß. „Wenn es nicht klappt, dann soll es auch nicht sein. Das hat auch viel mit dem Ort und der Atmosphäre hier zu tun“, sagt Moritz. Sein Plan B ist sein Studium, das er in zwei Semestern abschließen wird.
Sein Verhältnis zu Rosie war gut. Die beiden telefonierten fast täglich. „Sie wirkte auf Gäste immer sehr hart und abgestumpft, das war auch mein Eindruck am Anfang, aber ich habe schnell gemerkt, dass das nicht so ist“, sagt Moritz. Bei neuen Ideen habe Rosie ihm viel Vertrauen entgegengebracht. Auch wenn manche Probleme nur auf ihre Art zu lösen waren, wie Moritz erzählt: Manchmal ist er drei Tage herumgelaufen und hat am Ende erst keine Lösung für ein Problem gefunden. Kaum hatte Rosie das Ruder übernommen, war das Problem innerhalb von fünf Minuten dank alter Kontakte erledigt. „Das hat mir gezeigt, dass auch das manchmal der Weg ist“, sagt Moritz lächelnd. Er hat viel von Rosie lernen können. Genug, um den Pavillon auf seine Weise in Richtung Zukunft steuern zu können: „Mit dem Wissen, das Rosie mir mit auf den Weg gegeben hat, kann ich meinen eigenen Weg gehen.“
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