„Der Horstklub ist der beste Klub aus Konstanz auf Schweizer Boden“, sagt Kati, die sich dort ehrenamtlich einbringt und an diesem Abend an der Kasse arbeitet. Bis zu 30 Personen arbeiten für den Klub ohne Entgelt, weil sie für die Sache brennen. Das spürt man in jedem Lächeln, in jedem Wort. Der Klub in Kreuzlingen wurde vom aktuellen Geschäftsführer des Kulturladens Konstanz Benjamin Kreibich und weiteren Konstanzer:innen gegründet und hat seinen Stammplatz seit 2014 in der Kirchstraße 1. Der Klub ist alternativ gestaltet, mit einer Skatebowl im Garten und Rampen im Indoor-Bereich. Jeden Mittwoch findet hier ein beliebter Skate-Workshop statt. Ansonsten ist der Ort bekannt für die lauten wie die soften Töne – ob Neo-Folk oder Punk, Psychedelic Rock oder Metal. Eine Bühne wie ein gemütliches Wohnzimmer mit einem goldenen Lametta-Vorhang für die große Show.
Der Klub ist ein Paradebeispiel dafür, wie Kultur Grenzen überwindet – ganz nach den Bedürfnissen derjenigen, die etwas Neues erschaffen wollen und dafür auch neue Wege gehen. Mittlerweile sei das Verhältnis zwischen schweizerischen und deutschen Mitgliedern im Verein ausgewogener, sagt Lukas Schweikert, der sich bereits seit 2015 im Horstklub einbringt. Zu Beginn wurde der Klub als Geheimtipp eher im Studierendenumfeld der Universität Konstanz geteilt und die Information über einen neuen Veranstaltungsort sickerte erst langsam an die Schweizer Nachbarn durch.
Heute kommen die Gäste aus nah und fern. Es reisen auch mal Schweizer Fans aus Bern an, weil sie eine bestimmte Band sehen wollen. Der Horstklub ist auch ein Ort, der Menschen über die Musik hinaus verbindet. Es ist ein Klub, der Diversität in jeder Hinsicht lebt und es geschafft hat, Grenzen Grenzen sein zu lassen, um gemeinsam einen alternativen Wohlfühlort zu etablieren. So nahm auch so manche grenzübergreifende Liebesgeschichte hier ihren Anfang: Cosima und Paulo trafen sich im Horstklub das erste Mal und wurden ein Liebespaar. Sie kommt aus Engen, er aus Portugal.
Museumskooperation über die Grenze hinweg
Kooperation und Zusammenwirken findet häufig zwischen den beiden Städten statt. So erzählt es auch Julian Fitze, verantwortlich für Bildung und Vermittlung im Seemuseum im Seeburgpark. Für einen Zeitzeugenaufruf zum Thema Seegfrörne und Wetterextreme hat das Kreuzlinger Museum mit dem Konstanzer Rosgartenmuseum zusammengearbeitet. Auch Podiumsdiskussionen wurden schon gemeinsam organisiert und es werden immer wieder Leihgaben getauscht. Dass ganz nebenbei das Stammpublikum aus dem einen Museum mal ins andere wandert, ist gewünscht.
Kürzlich fand zudem eine Kooperation des Seemuseums mit dem Archäologischen Landesmuseum Baden-Württemberg und dem Förderverein Pfahlbau-Welterbe Litzelstetten-Krähenhorn statt. Im Konstanzer Gondelehafen wurde gemeinsam ein Rohling eines Einbaums am UNESCO-Welterbetag zur 8. Internationalen Einbaumregatta zu Wasser gelassen.
Die Kunst im Kleinen und Großen leben
Neben der grenzüberschreitenden Kunstnacht und dem Flohmarkt gibt es auch noch viele weitere Einrichtungen sowie kleine und große Feste, die Konstanzer:innen und Kreuzlinger:innen gleichermaßen magnetisch anziehen. Ob Seenachtfest, Festival am Tägerwiler Badi („Krach am Bach“), Open See Festival an der Konstanzer Konzertmuschel, Gassenfreitag, Campus Festival und Zebra Kino oder doch die klassischen Kultureinrichtungen von Philharmonie, Museen über das Stadttheater, das Apollo und Kult-X (Kulturzentrum) in Kreuzlingen bis hin zum See-Burgtheater im Park. Fest steht: Die Grenzen verwischen wie in einem Gemälde, mal groß und offensichtlich, wie an der Kunstgrenze in Klein-Venedig. Mal klein und unauffällig in Hinterhöfen und auf privaten Events.
So finden im Kunstraum „Tiny Art Piece Gallery at the Swiss Border“ (Kurzform TAP) von Künstlerin und Sammlerin Stefanie Scheurell Ausstellungen mit regionalen, überregionalen und internationalen Künstler:innen statt. Nach einer Kooperation mit dem Kunstkiosk in München und einem Event im Tägerwiler Zollhaus wird die Reihe alle zwei Monate, immer am ersten eines ungeraden Monats, im Rosenlächerweg 2a in Konstanz veranstaltet. Die TAP-Gallery von Scheurell verbindet privaten Wohnraum mit öffentlichem Ausstellungsraum und sorgt so für intensiven Austausch über deutsch-schweizerische Grenzen hinweg.
Denk mal anders!
Barbara Haller, selbst ein Grenzkind sowie Eigentümerin und Innovatorin rund um das ehemalige Apollo Kino in Kreuzlingen nahe der Grenze, ist der Meinung, dass man das aufgreifen sollte, was in der Szene schon da ist.
„Ein altes Gebäude in eine neue Zeit heben, analoge Dinge neu denken und digitale Ideen und Chancen erkennen – das alles mit der Kunst- und Kultur-DNA, die bereits vor Ort gegeben ist. Neue Dimensionen im Zusammenhalt gestalten, daraus kann etwas Neues wachsen.“
Barbara Haller
Auch im denkmalgeschützten Apollo Kino gibt es Raum, um sich zu entfalten. So hat die deutsche Künstlerin Anna Appadoo dort ein Atelier zur Miete und bringt sich im ansässigen Verein für Kunst und Kultur Kreuzlingen im Apollo e.V. ein, zum Beispiel für die Organisation des Formats „Art Foyers“. Ob Ausstellungen, Diskussionsrunden, Konzerte, Lesungen oder Tanzpartys mit Swingband aus Stuttgart. Das Motto: „Apollo – Denk mal anders!“ füllt das denkmalgeschützte Kino mit abwechslungsreicher Unterhaltung und öffnet sich für alle. Hier ist Austausch gewollt.
Zwei Städte. Zwei Welten?
Die Bodenseeregion, ein Sammelsurium an Kreativ- und Kulturschaffenden
Auch Christina Wechsel, Projektverantwortliche für das Netzwerk Boden.See.Kreativ im Landratsamt Konstanz, sieht das ähnlich: Synergien sichtbar und nutzbar machen, sich ergänzen und Wahrnehmung im Miteinander erreichen. Das Netzwerk Boden.See.Kreativ schafft den Raum, der vor allem während und nach Corona für die Kreativ- und Kulturszene untergegangen war, und verbindet die Schaffenden untereinander, aber fungiert auch als Präsentationsplattform für die Kreativen nach außen.
Dabei sind Grenzen zweitrangig, es geht um die Vernetzung zwischen den beiden Städten und darüber hinaus. So sind im Netzwerk sowohl Konstanzer:innen als auch Kreuzlinger:innen vertreten, es reicht sogar bis nach Vorarlberg. Ganz im Sinne von „Wir sind viele, wir sind eins“ verbinden sich die verschiedenen Positionen und besonders die Menschen aus den Grenzstädten und bilden ein großes, neues Ganzes. „Es wächst zusammen, was zusammengehört.“ Was schon 1989 eine zukunftsstarke Aussage in anderem Kontext war, gilt auch noch heute, und wird hier an Ort und Stelle bereits gelebt.
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