Wie viel Bildschirmzeit ist gut für Kinder?

Ganz ehrlich: Verdaddeln wir nicht alle unsere Leben? Warum trotzdem gilt, dass unseren Kinder Medienkompetenz mehr hilft als Abstinenz von digitalen Medien.
Eines der häufigsten Streitthemen in Familien: Wie viel Bildschirmzeit ist für Kinder noch okay?

Hand aufs Herz: Ich bin noch am Anfang davon, alles in Bezug auf die Mediennutzung meiner Kinder falsch zu machen. Sie sind knapp vier und acht Jahre alt. Doch wenn es so weitergeht, dann ist das Handy in ihrer Teenagerzeit nicht nur ihre dritte Hand, wie es heute heißt, sondern ihre erste Hand.

Die aktuelle JIM-Studie zur Mediennutzung zeigt, dass die 12- bis 19-Jährigen 2013 täglich 197 Minuten im Internet waren, 2023 waren es 224 Minuten. Drei Stunden und 45 Minuten! Das ist eine Menge und daran hat auch die Schule ihren Anteil. Erst vor wenigen Monaten haben über 40 deutsche und Schweizer Expert:innen gefordert, die Digitalisierung bis zur 6. Klasse zu stoppen – auch zur Vorbeugung. Bildschirmmedien sind böse, so der Tenor. Mehr von gedruckten Büchern, Bewegung, direkten sozialen Kontakten – erst recht in den ersten Schuljahren … ich bin voll dabei! Dennoch habe ich ein großes Aber in Bezug auf eine generelle Verteufelung.

Die digitale Generation ist clever

Wir sollten die Kids nicht unterschätzen. Die JIM-Studie hat auch ergeben, dass knapp zwei Drittel der Jugendlichen am Weltgeschehen interessiert sind; Top-Themen sind Klimawandel, Ukraine-Krieg und Diversität. Darüber informieren sie sich in Gesprächen, über Radio, Fernsehen sowie das Internet. Und das tun sie teilweise ziemlich clever. Vor zwei Wochen durfte ich an einem vom Kulturamt Konstanz geförderten Projekt der Journalistin Manuela Ziegler teilnehmen.

Unter dem Motto „Konstanzer Jugendliche reden mit“ haben wir mit Schüler:innen der Geschwister Scholl Schule Konstanz unter anderem darüber gesprochen, wie sie sich über Krisen informieren. Viele von ihnen wussten besser als so manche Menschen der Generation X, wie sie Infos im Internet gegeneinander aufwiegen. Als ich in den 90ern Vegetarierin wurde, hätten mich Internetinfos zum Kükenschreddern maßlos überfordert. Die Jugendlichen von heute können das besser sortieren.

Medienkompetenz ist unsere Verantwortung

Denn das Leben wird schlicht immer digitaler. Es kommt darauf an, wie die Zeit vorm Bildschirm genutzt wird. Ob zur Recherche oder zum Stundenplan-Check, um maßvoll eingesetzte Aufgaben auf Schul-iPads zu lösen oder den Bardienst beim nächsten Vereinsfest zu klären. Das alles unterstützen wir.

Nur wenn wir die Kontrolle verlieren, machen wir das Internet verantwortlich: etwa wenn die Rechten bei jungen Menschen Zulauf haben. Sorry, das ist verlogen. Sicher braucht die digitale Aufmerksamkeitsökonomie strengere Regeln – aber wenn rechte Influencer:innen clever ihre Botschaften verpacken, hilft keine Abstinenz, sondern Kompetenz.  

Kita, Schule, Erziehung, Pflege, Freizeit – Familienpolitik betrifft fast alle Menschen in Konstanz. Deshalb widmen wir uns diesen Themen künftig verstärkt in einem themenspezifischen Newsletter. Er heißt „familie mit k“ und erscheint alle 14 Tage donnerstags. Du kannst ihn hier kostenlos abonnieren.

Wenn du Themenideen hast, dann schreib uns gerne! Einfach per E-Mail an michael.luenstroth@karla-magazin.de

Diese Medienkompetenz zu vermitteln, ist die Aufgabe der Erwachsenen. Kinder seien nicht verantwortlich dafür, dass sie an Geräten klebten, schreibt der Kindermedienexperte Thomas Felbel in einer Kolumne

Im Karla-Magazin ist nachzulesen, was Schüler:innen selbst zu diesem Thema zu sagen haben – Michael Lünstroth hat mit dreien ein Interview geführt und sie nehmen Schulen und Eltern gleichermaßen in die Pflicht. Schulen müssen das Thema ganz oben auf die Prioritätenliste setzen. Bei der Umsetzung hilft zum Beispiel das Konstanzer Start-up eddilake, das eine App für Lernkompetenz in Schulen herausgibt.

Macht den Real-Life-Check!

Und wir, die überforderten Eltern? Auch wir brauchen Hilfestellung von der Schule, um technisch mitzukommen und das richtige Maß zu finden. Der Alltagsrat des Experten Felbel liest sich einfacher, als er umzusetzen ist: aktiv nach Alternativen fahnden und gemeinsame Aktivitäten anstoßen. Vielleicht gibt’s in unseren Veranstaltungstipps die ein oder andere Inspiration. Oder darf ich‘s auf die Spitze treiben? Ein Freund von mir hat mit seiner Tochter in deren Oberstufenzeit eine Reise zu Gräuel-Orten der Nazizeit gemacht. Das war weniger Fun als Biken in Ligurien, doch es war der beste Fake-News-Check bezüglich rechter Hetze auf TikTok.

Schon klar: Wenn meine Kinder größer sind, sprechen wir uns wieder. Digital, versteht sich. Oder sagt uns schon jetzt Eure Meinung zum Thema unter redaktion@karla-magazin.de

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