Debatte um Schulessen: Ein Dauerbrenner

Ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder in Kita und Schule? Das wäre auch in Konstanz möglich. Wenn sich Land, Bund und Kommunen über die Kosten einigen könnten.
Darf’s noch ein bisschen mehr sein? Schüler bei der Essensausgabe.

Diese Zahl hat mich in den vergangenen Wochen überrascht: Nur zehn Prozent der Konstanzer Schüler:innen nutzen das Mittagessensangebot an der Schule. Alle anderen bringen sich etwas mit, essen mittags Zuhause oder versorgen sich in den umliegenden Supermärkten oder Imbissbuden. Obwohl die Zahl der Betroffenen also vergleichsweise gering ist (rund 800 Schüler:innen), wird die Debatte über das Schulessen bei jeder Veränderung mit großer Leidenschaft geführt. So war es auch zum Start des aktuellen Schuljahres.

Der Anbieter Apetito aus Rheine in Nordrhein-Westfalen blieb zumindest an sechs Schulen derselbe, aber die Menüfolge hat sich geändert. Nur noch an einem Tag der Woche gibt es ein Fleischgericht, an allen anderen Tagen stehen vegetarische und vegane Speisen auf dem Plan. In den sozialen Medien machte schnell das Wort von der „Essensbevormundung“ die Runde. Dabei wird ja niemand gezwungen, in der Schulmensa zu essen.

Die Gründe für die Neuausrichtung haben mit der Klimaschutzstrategie der Stadt zu tun und sind angesichts der Weltlage konsequent. Einen Bioanteil von mindestens 30 Prozent, überwiegend pflanzenbasierte Produkte, tiergerechte Haltung sowie den Bezug von Fairtrade- und saisonalen Speisen hatte die Stadt in der Ausschreibung festgelegt. Fast schwieriger zu kommunizieren war indes etwas anderes. 

Nicht nur vegetarischer, auch teurer

Denn das Angebot an den Schulen wurde nicht nur vegetarischer, sondern auch teurer. An manchen Schulen um fast einen Euro. Dafür gibt es jetzt einen einheitlichen Preis an allen weiterführenden Konstanzer Schulen mit 4,30 Euro.

„Es war ja nicht zu erklären, warum man an einer Schule mehr als der anderen zahlt für dasselbe Essen. Deswegen war es uns wichtig, das anzupassen“, sagt Frank Schädler, Leiter des städtischen Amt für Bildung und Sport.

Gleichzeitig hat die Stadt ihren Zuschuss für das Schulessen erhöht von einem auf etwa 1,23 Euro. Nur so kann der Preis des Anbieters (ca. 5,53 Euro pro Essen) bedient und die finanzielle Belastung für Familien moderat gehalten werden. Für bedürftige Familien gibt es zudem weitere Zuschussmöglichkeiten. 

Vielleicht braucht es hier auch ganz neue Wege. Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel“ hatte im Januar dieses Jahres empfohlen, dass es täglich bundesweit für alle Kinder ein kostenfreies und gesundes Mittagessen an Kitas und Schulen geben soll. Frage an Frank Schädler: Wäre das auch in Konstanz denkbar? „Die Empfehlung ist aus Sicht des Schulträgers sicherlich positiv zu bewerten und wäre aus Sicht der Schüler:innen wünschenswert“, sagt der Amtsleiter.

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Idee: Wie wäre ein kostenloses Mittagessen für alle Kinder?


Rund drei Millionen Euro würde es die Stadt laut Schädler kosten, wollte sie alle Kinder in Schulen und Kitas kostenlos verpflegen. Eine solche Entscheidung könne keine Kommune alleine treffen. Dies müsse auf Bundes- oder Landesebene geklärt werden, „um eine gleiche Ausgangssituation in den Kommunen zu schaffen und andererseits, um die Finanzierung aus Bundes- beziehungsweise Landesmitteln zu klären“, so Schädler weiter.

Aber nochmal zurück zum Klimaschutz: Wenn das Schulessen schon mit Verweis darauf verändert wird, müsste man sich dann nicht auch fragen: Ist es angesichts der Klimaschutzstrategie richtig einen Großcaterer aus Nordrhein-Westfalen zu beauftragen, vorgegartes Essen in LKWs mehr als 700 Kilometer durch die Republik zu transportieren? Ginge das nicht klimaschonender durch einen Anbieter vor Ort? Im Prinzip ja. Aber das blendet aus, dass die Stadt solche Aufträge ab einer gewissen Summe (aktuell: 214.000 Euro) EU-weit ausschreiben muss.

Viele Schüler:innen in Konstanz wollen von dem Essen in der Mensa nichts wisssen. Sie versorgen sich anderweitig | Foto: Canva.

Warum große Unternehmen begünstigt werden


Diese Verfahren sind aufwändig und begünstigen in der Regel große Unternehmen. Weil sie bessere Netzwerke von Partnern und Lieferanten haben, finanzielle Stabilität versprechen und vor allem, weil es ihnen leichter fällt, durch größere Produktionskapazitäten und effizientere Abläufe niedrigere Preise anzubieten. „Aktuell gibt es keinen Anbieter in der Region, der die notwendigen Kapazitäten hätte und unseren Anforderungen so gerecht werden könnte wie Apetito“, erklärt Frank Schädler. Selbst das Kriterium „Regionalität“ werde erfüllt. Wobei Regionalität in einer europaweiten Ausschreibung natürlich Interpretationsspielraum lässt.

Die Stadt Konstanz versucht sich damit zu behelfen, dass sie Regionalität als alles definiert, was 200 Kilometer um Konstanz herum liegt. Apetito bezieht im konkreten Fall beispielsweise Fleisch aus dem Allgäu. Perspektivisch gesehen soll die Schulverpflegung nicht nur attraktiver werden (wir erinnern uns, nur 10 Prozent der Schüler:innen nutzen das Angebot bislang), sondern auch regionaler werden.

Übernimmt die Caritas mittelfristig das Geschäft?


Das Ziel: ein regionaler Caterer, der nicht nur alle Konstanzer Schulen, sondern auch die Kitas beliefert. Ein möglicher Kandidat dafür könnte der Inklusionsbetrieb „Konradi kocht“ von der Caritas sein. Zwei Konstanzer Schulen werden von dort bereits versorgt. Die nächste Ausschreibung findet voraussichtlich in drei bis vier Jahren statt.

Wie ein gutes Schulessen aussieht, darüber gibt es ganz unterschiedliche Vorstellungen. Was Ernährungsexpert:innen empfehlen deckt sich nicht immer mit dem, was sich Schüler:innen wünschen. Während es für Deutschland dazu nur alte Zahlen aus 2015 gibt, zeigt eine sehr aktuelle Befragung aus Österreich, was Schüler:innen bei ihrem Mittagessen wichtig ist.

Quelle: Österreichweite Schüler:innen-Umfrage „Essen in der Schule“ von der Bundesschülervertretung und des Vereins Land schafft Leben

Was Schüler:innen auf dem Teller wollen


Demnach wollen 82 Prozent der befragten Schüler:innen vor allem gesundes Essen auf dem Teller haben. Auch regionale Lebensmittel, Tierwohlfleisch und -wurst, Bio-Lebensmittel und fair produziertes Essen sind den Schülerinnen und Schülern wichtig.

Mehr als 5.000 Schülerinnen und Schüler aller Schultypen und aus allen österreichischen Bundesländern zwischen 14 und 20 Jahren wurden im Rahmen der Online-Umfrage „Essen in der Schule“ zum Speisenangebot in ihrer Bildungseinrichtung und dem Lehrangebot rund um Essen und Ernährung befragt.


Quelle: Österreichweite Schüler:innen-Umfrage „Essen in der Schule“ von der Bundesschülervertretung und des Vereins Land schafft Leben

Was ChatGPT kochen würde


Zum Abschluss: Damit das alles etwas greifbarer wird: Ich habe ChatGPT gefragt, wie das ideale Schulmittagessen aussieht. Einmal aus Ernährungsexpert:innen-Perspektive, einmal aus Schüler:innen-Sicht. An welchem Tisch würdest du lieber sitzen? 😉

Montag:
Expert:in: Gemüsecurry mit Vollkornreis und Salat
Schüler:in: Selbstgemachte Pizza mit Vollkornboden und verschiedenen Belägen zur Auswahl

Dienstag:
Expert:in: Gebackener Fisch mit Süßkartoffelpüree und gedünstetem Brokkoli
Schüler:in: Taco-Station mit Optionen für Fleisch, Bohnen, Gemüse und verschiedenen Saucen

Mittwoch:
Expert:in: Vollkorn-Pasta mit Tomaten-Basilikum-Sauce und grünem Salat
Schüler:in: Pasta-Bar mit Auswahl an Vollkornnudeln, verschiedenen Saucen und Toppings wie Gemüse, Käse und Hähnchen

Donnerstag:
Expert:in: Hühnerbrust mit Quinoa und gebratenem Gemüse
Schüler:in: Chicken Nuggets aus dem Ofen mit Süßkartoffelpommes und einem gemischten Salat

Freitag:
Expert:in: Linsensuppe mit Vollkornbrötchen und gemischtem Salat
Schüler:in: Burger-Station mit Vollkornbrötchen, verschiedenen Patties (Fleisch, vegetarisch) und einer Vielzahl an Belägen und Saucen

Na, denn: Guten Appetit!

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