Kitakrise: Immer mehr Eltern drohen mit Anwält:innen

Im Ringen um einen Kitaplatz wird der Ton rauer, die Zahl der juristischen Auseinandersetzungen nimmt auch in Konstanz zu. Eine Klage sei nur noch eine Frage der Zeit, ist Joachim Krieg vom städtischen Sozial- und Jugendamt überzeugt.
Das Bild zeigt Joachim Krieg vom Konstanzer Sozial- und Jugendamt.
Joachim Krieg, Sozial- und Jugendamt der Stadt Konstanz. Bild: Florian Nick

Es war nur ein kurzer Satz, aber der sorgte für erhöhte Aufmerksamkeit: „Wir haben bislang noch keine Klage vorliegen, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das noch lange so bleibt“, sagte Joachim Krieg vom städtischen Sozial- und Jugendamt am Mittwochabend in der Sitzung des Jugendhilfeausschusses. Demnach habe die Zahl der rechtlichen Auseinandersetzungen in den vergangenen Monaten deutlich zugenommen. Eltern versuchten vermehrt über Anwält:innen an einen Kitaplatz zu kommen, sagte Krieg.

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„Das ist natürlich ihr gutes Recht, stellt uns aber vor neue Herausforderungen“, so Krieg. Die Lage wurde auch durch ein Urteil des Verfassungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim verschärft. Die Richter:innen entschieden hier im Dezember 2022, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz auch dann besteht, wenn kein Platz da ist. Im Einzelfall müssten in den Einrichtungen dann eben mehr Kinder betreut werden als vorgesehen, argumentierte das Gericht.

Es gibt auch Schadenersatz­forderungen

Eine Überbelegung einzelner Einrichtungen sieht Joachim Krieg aber kritisch. Angesichts des Fachkräftemangels und den ohnehin vielfach überlasteten Erzieher:innen sei es nicht klug, den Stress in den Kitas weiter zu verschärfen.

Nicht alle Rechtsstreitigkeiten in Konstanz zielen auf einen Kitaplatz. „Manche Eltern haben in einer anderen Gemeinde einen Kitaplatz gefunden und fordern von uns die dadurch entstandenen Mehrkosten zurück. Andere fordern Schadenersatz wegen ihrer Verdienstausfälle, weil sie ohne Kitaplatz nicht mehr arbeiten können“, erklärte Joachim Krieg.

Die Stadt muss auch Betreuungs­kosten in der Schweiz übernehmen

Als ein Beispiel nannte der Kita-Beauftragte des Sozial- und Jugendamts elf Konstanzer Kinder, die derzeit in Schweizer Einrichtungen betreut werden. Aufgrund des geltenden Rechtsanspruchs auf einen Kitaplatz muss die Stadt Konstanz hier den Unterschied zwischen den Konstanzer Gebühren und den deutlich teureren Schweizer Gebühren zahlen. Je nach Kita kann das im Einzelfall einen Betrag von mehr als 1000 Euro pro Monat ausmachen. Innerhalb eines Jahres können für elf Kinder so Kosten in sechsstelliger Höhe entstehen.

Die zunehmende Klagefreudigkeit unter Eltern betrifft aber nicht nur Konstanz: Nach einer Umfrage des SWR aus dem Februar 2023 bei den zuständigen vier Verwaltungsgerichten hat sich die Zahl der Verfahren zum Kita-Rechtsanspruch zuletzt fast verdoppelt. Sie stieg von 55 in 2021 auf 102 im vergangenen Jahr.