Ich erinnere mich noch ziemlich genau an diesen einen Moment in jedem Sommer, wenn klar war – die Schule ist aus, jetzt sind Ferien! Ein Hauch von Freiheit lag in der Luft, angereichert mit einem Duft von Freibad-Pommes und Sonnencreme. Keiner hat es so schön beschrieben wie Joachim Meyerhoff in seinem Roman „Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war“: „Es war ein Gefühl, als ob das ganze Leben noch vor einem liegt, unberührt und voller Versprechen. Die Sommerferien waren wie ein riesiges, goldenes Tor, das sich langsam öffnete.“
Hach ja. Seit gestern öffnet sich dieses Tor nun endlich auch für Kinder und Jugendliche in Baden-Württemberg. Wie golden die Zeit dahinter wirklich wird? Schwer zu sagen. Auch in den Sommerferien scheint in Familien nicht immer die Sonne. Also weder meteorologisch noch atmosphärisch. Ferien können für Familien herausfordernde Zeiten sein. Wenn Menschen plötzlich ungewohnt viel Zeit miteinander verbringen, birgt das auch Konflikte.
Alle Bedürfnisse respektieren
Ori Harel weiss das ziemlich genau. Sie ist Bildungspsychologin, Elternberaterin und forscht an der Universität Konstanz. Auf die Frage, wie Familien gemeinsame Freizeit am besten verbringen, hat sie eine verblüffend einfache Antwort: „Solange die Familie im gegenwärtigen Moment zusammen ist und Dinge tut, die angenehm sind und die Bedürfnisse aller Mitglieder respektieren, ist es fast egal, was man tut.“
Weil Harel aber auch weiss, dass das in seiner Allgemeinheit jetzt kein so richtig hilfreicher Hinweis ist, haben wir im Gespräch fünf Tipps für Familien entwickelt, wie die Sommerferien eine gute Zeit für die ganze Familie werden können. Los geht’s!
Kita, Schule, Erziehung, Pflege, Freizeit – Familienpolitik betrifft fast alle Menschen in Konstanz. Deshalb widmen wir uns diesen Themen in einem themenspezifischen Newsletter. Er heißt „familie mit k“ und erscheint alle 14 Tage donnerstags. Du kannst ihn hier kostenlos abonnieren.
Wenn du Themenideen hast, dann schreib uns gerne! Einfach per E-Mail an michael.luenstroth@karla-magazin.de
Raus gehen und Spaß haben!
- Viel Zeit draußen verbringen: „Viele Studien zeigen, dass wir umso entspannter, gesünder und aufmerksamer werden, je mehr Zeit wir draußen verbringen“, sagt die Bildungspyschologin. Und: „Zeit im Freien zu verbringen, kann uns helfen, unsere Kinder in einem anderen Licht zu sehen und uns eine der wichtigsten Rollen als Eltern zu geben: Chancen zu schaffen, unsere Kinder für ihre Bemühungen und Stärken zu loben.“
- Über Erwartungen reden: Jedes Familienmitglied hat möglicherweise eigene Vorstellungen von den Ferien. „Beginnen Sie damit, alle Familienmitglieder zu fragen, wie sie sich eine entspannte Zeit zusammen vorstellen!“, rät Ort Harel. So kann man unterschiedliche Bedürfnisse einander annähern.
- Druck rausnehmen: „Es muss nicht der beste Sommer ihres Lebens sein. Sie müssen nicht immer auf ein erstaunliches Abenteuer gehen“, erklärt die Elternberaterin. Und gerade den Eltern gibt sie mit auf den Weg, sich selbst nicht zu vergessen in den Ferien: „Wenn Sie Entspannung kultivieren möchten, müssen Sie sich auch Zeit für sich selbst nehmen!“
- Krisen meistern: Natürlich wird auch in den Ferien nicht immer alles federleicht sein. Gegen schlechte Laune hilft gutes Krisenmanagement. Ori Harel hat drei Grundregeln dafür: Achtsames Zuhören, eine mitfühlende Haltung entwickeln, die Emotionen zulässt und Grenzen durch Dialog setzt, sowie als Elternteil die eigenen Gefühle im Konfliktfall im Zaum halten.
- Spielen: Durch gemeinsames Spiel wird das Familiengefühl am stärksten unterstützt. „Unsere Kinder bieten uns die Gelegenheit, zu unseren inneren Kindern zurückzukehren und das Leben zu genießen. Also spielen Sie zusammen und genießen Sie es!“, sagt die Konstanzer Bildungspsychologin. Tipp: Coole Ideen, wie man sich zum Beispiel spielerisch gegenseitig herausforden kann, hat die Ratgeber-Seite Flimmo gelistet.
Und wie machen wir das jetzt mit dem Smartphone?
Die eine große Frage, die jetzt noch offen ist: Wie regelt man den Umgang mit dem Smartphone? Knapp ein Viertel der Deutschen hat laut einer repräsentativen Befragung aus dem vergangenen Jahr in den Ferien Streit wegen der Smartphone-Nutzung. Vor allem deshalb, weil das Gefühl entsteht, dass Mitreisende nicht ansprechbar sind, während sie in ihr Handy glotzen.
Um das zu vermeiden, kann man schon bei der Urlaubsplanung berücksichtigen, dass es für alle Familienmitglieder im Urlaub ein spannendes Freizeitprogramm gibt. Dadurch nimmt die Attraktivität des Smartphones automatisch ab. Klare Regeln können auch dagegen helfen. Zum Beispiel indem man handyfreie Zeiten vereinbart. Aber daran müssen sich dann natürlich alle halten. Je mehr Zeit Eltern selbst mit digitalen Medien verbringen, desto höher ist auch die entsprechende kindliche Nutzungszeit. Das Deutsche Jugendinstitut hat hierzu eine differenzierte Studie veröffentlicht.
Auch im Kino kann man Quality-Familienzeit verbringen
Abgesehen davon ist es aber auch mal total okay, gemeinsam Medien zu nutzen. Zum Beispiel zusammen ins Kino gehen. „Das Kino kann ein wunderbares Mittel sein, um einen emotionalen Diskurs zu kultivieren und Themen aufzugreifen, um unsere Werte zu diskutieren“, sagt die Konstanzer Bildungspsychologin Ori Harel. Sie empfiehlt vor allem den aktuellen Film „Alles steht Kopf 2“, der von Gefühlsentwicklungen bei pubertierenden Teenagern handelt und wirklich sehr lustig ist.
In diesem Sinne: Ich wünsche euch allen einen guten Start in die Sommerferien!
Du willst mehr karla?
Werde jetzt Mitglied auf Steady und gestalte mit uns neuen Lokaljournalismus für Konstanz.
Oder unterstütze uns mit einer Spende über Paypal.