Für diese Recherche wollte ich wissen, wohin die Geldzuweisungen vom Landgericht, Amtsgericht und der Staatsanwaltschaft Konstanz in den Jahren 2017 bis heute gingen. Genau das schreibe ich in meiner Presseanfrage an die drei genannten Stellen. Die Antwort, die ich erhalte, ist immer die gleiche: „Das erfordert einen nicht unerheblichen Aufwand.“ Listen, die die Empfänger von Geldzuweisungen nach Gruppen zusammenfassen, können hingegen schnell zur Verfügung gestellt werden. Sie erhalte ich innerhalb kürzester Zeit. Doch da soll meine Anfrage nicht enden. Als Teil einer Recherche des gemeinnützigen Netzwerks CORRECTIV.Lokal wollen wir von karla mehr wissen – und zwar an welche gemeinnützigen Organisationen, Vereine und Institutionen in den vergangenen Jahren wie viel Geld ging.
Warum wollen wir das wissen? In Deutschland können Strafverfahren gegen die Zahlung einer Geldauflage eingestellt werden, „wenn die Auflage geeignet ist, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht“, sagt Franz Klaiber, Direktor des Amtsgerichts Konstanz. Diese Möglichkeit ist an sich nur für Verfahren von kleiner und mittlerer Kriminalität, wie Diebstahl, Körperverletzung oder Verkehrsdelikte. Beschuldigte gelten in diesen Fällen nicht als vorbestraft, stattdessen müssen sie Geld zahlen. „Heutzutage besteht der Normalfall nicht mehr darin, dass ein Verfahren mit einer förmlichen Verurteilung endet, sondern dass es eingestellt wird“, sagt Professor Hans Theile vom Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Konstanz. Im Erwachsenenstrafrecht werden über 50 Prozent der Verfahren eingestellt, im Jugendstrafrecht sind es rund 70 Prozent.
Wir halten also fest: Alle Prozessbeteiligten gehen in diesen Fällen davon aus, dass eine Verhandlung wahrscheinlich den Nachweis geringer Schuld erbringen würde. Von geringer Schuld spricht man, wenn viele Umstände für die Beschuldigten sprechen und von einer Strafe im unteren Strafrahmenbereich des Delikts auszugehen ist. In solchen Fällen können sich die Beteiligten darauf einigen, den aufwendigen Prozess zu vermeiden. Staatsanwaltschaft und Gericht sparen sich Arbeit und den Steuerzahlenden Geld.
Gleichzeitig kommen die Beschuldigten nicht komplett ungeschoren davon. Aber: Beschuldigte entgehen dem Risiko einer förmlichen Verurteilung im Falle eines Prozesses, können die für sie unangenehme Situation diskret und schnell beenden. „Letztlich ist das immer eine konsensuale Verfahrenserledigung, manchmal wird es anrüchig auch als Urform eines ‘Deals’ bezeichnet“, sagt Hans Theile. „Man muss sich von der Vorstellung freimachen, dass die Strafe präventiv was bringt.“
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