Gute Nacht in Konstanz

Feiern in der größten Stadt am Bodensee – wie gut geht das eigentlich? Unsere Kolumnistin Linda Addae hat das Nachtleben für dich getestet.

Konstanz ist zwar keine Metropole, definitiv kein Brennpunkt für Partywütige und immer noch ein kleines bisschen zu Möchtegern-münchifiziert. Die Stadt hat dennoch einiges in Sachen Nachtleben zu bieten, was vor allem im Sommer für Stimmung unter Konstanzer:innen und Co. sorgt.

Konstanz, das ist die Kleinstadt mit dem Full Package: Restaurants, gemütliche Kneipen, Bars, Shisha-Lounges und einige Clubs. Nach sechs Monaten knallharter Kälte ist die Vorfreude wärmere Temperaturen groß. Da trifft es sich gut, wieder einige Hotspots für Barhopping und Clubnächte auf dem Schirm zu haben.

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Der Zeitplan

Wenn man in Konstanz weggehen will, ähnelt der Zeitplan ein wenig den 12 Stufen der Heldenreise. Ab 18 Uhr füllen sich in Konstanz die Restaurants. Später hängen alle gechillt in einer Bar ab zum Vorglühen und um 23 Uhr geht man dann langsam leicht angetüdelt in den Club.

Der Party-like-a-Local-Plan ist zwar solid AF – führt jedoch dazu, dass man lieber einmal mehr reserviert als einmal zu wenig. In Konstanz herrscht nach wie vor Post-Covid-Euphorie, die dafür sorgt, dass man mehr Bock zu feiern hat als in den Jahren zuvor. Das beweisen auch die Schlangen vor den Bars und den Clubs. Früh auftauchen oder rechtzeitig anrufen lohnt sich daher auch in 2023.

Bruder, wohin am Wochenende?

Das frage ich meine Freundin bereits am Dienstagabend. Der Satz vermittelt zweierlei: Zum einen, dass ich wirklich Lust habe etwas zu unternehmen, und zum anderen, dass es Auswahl gibt. Wer beispielsweise Lust hat, iPhone-Gefährt:innen mit coolen Klamotten kennenzulernen und wirklich fantastische Cocktails zu schlürfen, der geht in den Klimperkasten.

Als Studi mit Migrationsdefizit ist die Heimatbar ein ideales Biotop aus Oldschool-Indie-Rock, Charts, fairen Preisen und unzähligen Erstsemester-Encounters. Für Menschen mit und ohne Migrationsdefizit ist der P-Club in der Stadtmitte fast schon eine Art Safer Space.

Während Clubs wie die Kantine und das Berrys Konstanz während der Pandemie lange schließen mussten, hatte der P-Club seine 5 Seconds of Fame. Seither gibt es dort wieder kleine, aber feine Hip-Hop-Events, auch mit live Gigs von lokalen Künstler:innen, die man nicht verpassen sollte.

Nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut

Was aber ist mit den Clubs? Ohne Filter: Feiern in Konstanz ist und bleibt ein Handjob. Es ist nicht schlecht, aber so richtig gut ist es eben auch nicht. Und das liegt daran, dass man außer Acht lässt, dass sich das Nachtleben schon lange nicht mehr nur auf Musikgenres konzentriert, sondern dass die Komplexität verschiedener Identitäten sich mit weiteren Kontexten wie Fashion, Pride, Politik und Lifestyle vermengt haben.

Besonders schade finde ich daher das Konzept der Großraum(dorf)disco. Zwischen den Yeah Yeah Yeahs von Usher und Fat Joes leidiger Frage nach Liebe bleibt nicht viel Raum für Diversität, Movements und Vibes der neuen Generation – abgesehen davon, dass einem die Nebelmaschine im Grey reihenweise Wolken aus Fake Baccarat Rouge 540 ins Gesicht weht.

Frischer Wind statt Nebelmaschine

Mein Fazit: In Konstanz feiern macht Spaß – mit Luft nach oben. Leider reicht es nicht aus, Themenabende zu pushen, die nur einen Teilaspekt komplexer Stadtgesellschaften abbilden. Vielmehr müsste man sich fragen, was es im Hier und Jetzt für verschiedene Communitys bedeutet, one-size-fits-all-Konzepte zu fahren. Damit geht Potential verloren, die Stadtgesellschaft in ihrer Mehrdimensionalität zu erleben.

Gestaltungsspielraum ergibt sich aber gerade dadurch, dass viele Ideen aus den Großstädten in Konstanz Anklang finden würden. In Berlin gibt es beispielsweise ein Spielecafé, das mit unzähligen Brettspielen, Panini und Süßigkeiten einen Ort für Nerds bietet. Wie wäre es mit fuck-the-male-gaze-Partys, die von und für Frauen veranstaltet werden? Damit wäre Konstanz zwar immer noch etwas spät dran, aber definitiv nicht mehr two thousand and late.

Die große Se(e)hnsucht

Tausche Kleinstadtöde gegen Großstadtgeflüster: Ein neuer Job hat unsere Autorin vom Bodensee nach Berlin geführt. Obwohl sie den Vibe der Stadt mag, will sie ihrer Heimat am See doch nicht ganz den Rücken kehren. Frei nach dem Motto: Es gibt kein Entweder-oder!