Im Gespräch mit unseren Vorurteilen

Vorab zu unserer Veranstaltung „Konstanz trifft Kreuzlingen“ hat sich unser Autor aus Konstanz mit seinen Vorurteilen gegenüber Schweizer:innen im Gepäck mit einem Kreuzlinger getroffen. Wie hat das Gespräch seine Sichtweise verändert?

Anmerkung der Redaktion: Unser Autor Michael Buchmüller und der Kreuzlinger Manuel Güntert haben sich zum Gespräch getroffen. Hier werden beide Texte gezeigt. Das Bild zeigt jeweils an, von wem die Passage des Textes geschrieben wurde.

Michael Buchmüller

„Also gut: Einmal vorbehaltlos alle Vorbehalte auf den Tisch. Gegenüber unseren Schweizer Mitbürger:innen jenseits der Grenze. All das, was man immer nur im „inneren Zirkel“ laut dachte (vielleicht nicht einmal das!) und der breiten Öffentlichkeit vorenthielt. Weil man ja ein guter Nachbar sein wollte. Ein Geständnis. Aber kein Standpunkt. Ich lebte Mitte der 90er Jahre in Waldshut-Tiengen am Hochrhein, was bekanntlich grenznah liegt. Sehr grenznah. Über uns gingen die Jets in den Landeanflug zum Züricher Flughafen über. Bis abends um zehn. Und das Gerücht ging, das die Schweizer die erlaubte Anzahl an Anflügen deutlich überschritten, um die „Goldküste“ am Züri-See zu schonen. Für uns war das kein Gerücht. Was erlauben die sich eigentlich? Und am Wochenende verstopfte Straßen und Supermärkte. Großfamilien mit Groß-Autos kauften möglichst viel zollfrei ein. Jede Person zählte. Was man davon hielt? Man nahm das, leicht unwillig, zur Kenntnis. Und wir? Fuhren rüber zum Tanken, gingen „zurzeln“. Nein, nicht Weißwürste essen, sondern baden in die Therme nach Zurzach. Oder auch zum Skifahren. Konnte man sich damals noch leisten. Und der Onkel meiner Frau, der an jener Goldküste lebte, hatte, na sagen wir so: ein deutlich ausgeprägtes patriotisches Selbstbewusstsein. Das war nicht durchgängig leicht zu ertragen. Am Straßenrand fielen beim Durchfahren ab und zu aggressiv gestaltete Plakate auf, auf denen meist in Rot irgendein Stopp!-Slogan die Schweiz (vor irgendetwas) retten wollte. (Stoppt die Überfremdung! Stoppt den Schweizer Ausverkauf!). Und woher das Geld auf den Schweizer Banken kam, wollte man gar nicht wissen. Stimmt nicht: Man konnte es wissen. Neutralität und Unabhängigkeit mit einem faden Beigeschmack.

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