Was fehlende Kitaplätze für den beruflichen Wiedereinstieg von Müttern bedeuten

Bis zu 14 Monate steht Eltern nach einer Geburt finanzielle Unterstützung in Form von Basiselterngeld durch den Staat zu. Danach müssen die meisten wieder arbeiten und sind deshalb auf Kinderbetreuung angewiesen. Fünf Frauen berichten von ihren Erfahrungen.
Linda ist Urkonstanzerin und hat nach zehn Jahren Großstadtgeflüster in…

Eins wurde aus den Recherchen zu dem Artikel klar: Ohne Kinderbetreuung ist der Einstieg in den Job nicht möglich. Wenn der Bezug des Elterngeldes endet, sehen sich viele Familien gezwungen, Alternativen zum Kitaplatz zu suchen. In Konstanz gibt es derzeit 774 Kinder, die keinen Kitaplatz bekommen haben. „Kinder haben ist in Deutschland eine private Angelegenheit. In den 50er Jahren wurde durch Adenauer der Stellenwert für Familienpolitik festgelegt und der hat sich seither auch nicht verändert. Es bleibt den Eltern überlassen, was man mit den Kindern macht“, sagt Nathalie Klüver, Journalistin und Autorin des Buches „Deutschland, ein kinderfeindliches Land? Worunter Familien leiden und was sich ändern muss“. 

In rund 15 Prozent der Konstanzer Haushalte leben Kinder davon sind 23,5 Prozent Haushalte Alleinerziehende. 90 Prozent der Alleinerziehenden sind Frauen. Für mehr Kitaplätze fehlt es an Infrastruktur und Erzieher:innen. Das Konstanzer Punkte-System versucht die Situationen der Familien einzuordnen und vergibt danach in Absprache mit den Einrichtungen die Plätze. Für alle, die leer ausgehen, beginnt der Spagat zwischen Beruf, Kinderbetreuung und Me-time. Fünf Frauen berichten vom Wiedereinstieg in ihren Beruf.

Eva-Maria Popp, Datenschutzbeauftragte: „Ich bin zurück in die Elternzeit.“

Das Foto zeigt Eva-Maria Popp

„Ich bin 41 Jahre alt, alleinerziehend und habe keinen Kitaplatz bekommen. Meine Tochter ist jetzt etwas über ein Jahr und braucht, wie jedes Kind, Aufmerksamkeit, Liebe und Zuneigung. Nach vier Monaten fing ich wieder an zu arbeiten mit dem Ergebnis, dass ich sehr viele Minusstunden anhäufte. Zu viele. Ich bin Datenschutzbeauftragte im ZPR und in Absprache mit meinem Arbeitgeber ging ich also zurück in die Elternzeit.

Auch wenn ich im Homeoffice arbeiten konnte und die Stunden, in denen die Kleine schlief, nutzte, war das Pensum einfach zu hoch. Fremdbetreuung finde ich total gut, auch weil meine Tochter den Umgang mit anderen Kindern sehr genießt. Deshalb kommt für mich auch die Option einer Tagesmutter in Frage. Viele Tagesmütter bieten zwischen 20 und 30 Stunden die Woche an. Das ist schon viel. Bei einer Tagesmutter bin ich gezwungen mein Kind 30 Stunden abzugeben oder zumindest muss ich die 30 Stunden bezahlen, auch wenn ich sie früher abhole. Meine finanzielle Situation gibt das aber einfach nicht her. Deshalb überlege ich, eine Selbstständigkeit aufzubauen. Durch das Elterngeld Plus und den Partnerschaftsbonus bekomme ich noch ein gutes Jahr Leistungen und hätte dann Zeit, die Selbstständigkeit anzugehen.“

Veronika Fischer, Journalistin: „Nicht mehr im Nine-to-five-Modus festhängen.“

„Ich bin Mutter von drei Kindern im Alter von elf, fünf und zwei Jahren. Elternzeit im Sinne von einem Jahr außerhalb des Berufs kenne ich nicht. Zur Geburt meines ersten Sohnes war ich in der Abschlussphase meines Studiums. In der Elternzeit habe ich also die Masterarbeit geschrieben und danach eine Promotion angefangen.

Das Elterngeld war mir dabei eine Unterstützung, weil ich nicht noch zusätzlich jobben musste, um mir das Studium zu finanzieren. In meiner zweiten Schwangerschaft arbeitete ich in einer Schweizer Zeitungsredaktion und wurde dort kurz vor der Geburt meines Kindes gekündigt. Für mich war eine Pause in der Situation nicht denkbar, weil es keinen sicheren Berufseinstieg nach der Elternzeit gab. Auch ein Wechselmodell mit meinem Partner war nicht möglich, da dieser ebenfalls in der Schweiz tätig ist und es dort, abgesehen von zwei Tagen Vaterschaftsurlaub oder einer Kündigung, keine familienfreundlichen Varianten gibt. Sechs Wochen nach der Geburt des Babys war ich dann also wieder am Schreibtisch und schrieb meine erste Theaterkritik. Die Elternzeit habe ich dann dafür genutzt, um mich selbstständig zu machen. Das Elterngeld war also ein bisschen wie ein Grundeinkommen oder ein Gründerzuschuss. Dadurch, dass ich abgesehen von vereinzelten Stunden mit Babysittern keine Kinderbetreuung in Anspruch genommen habe, etablierte ich ein Arbeiten, das oftmals gleichzeitig mit meinen Kindern stattfindet. Ich schreibe, wenn die Kinder im Sandkasten spielen oder schlafen, und meine Meetings finden oftmals an ungewöhnlichen Orten statt: in der Kletterhalle, am Seeufer oder in der Stadtbibliothek – mit den Kids. Die Frage „Kind oder Karriere“ habe ich mir nie wirklich gestellt, sondern daran gearbeitet, wie beides miteinander vereinbar ist, ohne dass ich in einen Modus gerate, der alle ans Limit bringt. Dass sich dies ausgeht, beweist sich mir immer mehr. Wenn ein Kind krank ist, ist es kein wirkliches Problem, weil meine Arbeitssituation auf eine größtmögliche Flexibilität angelegt ist. Grundsätzlich bin ich mit diesem Modell sehr zufrieden, da ich mit wenigen Wochenstunden am Schreibtisch, die total flexibel einsetzbar sind, das gleiche Pensum schaffe wie zuvor in meiner Festanstellung, aber nicht mehr im Nine-to-five-Modus festhänge.“

Für diesen Beitrag haben wir fünf exemplarische Geschichten aus Konstanz ausgewählt und die Mütter von ihren Erfahrungen mit dem Wiedereinstieg in den Beruf berichten lassen. Es gibt aber noch viel mehr Perspektiven – und genau diese wollen wir hören. Uns ist bewusst, dass besonders Mütter in prekären Lebenssituationen auf Betreuung angewiesen sind. Wir wollen auch Frauen mit Diskriminierungserfahrungen den Raum geben gehört zu werden. Und: Auch wenn Betreuungsarbeit immer noch zum Großteil bei Müttern liegt, betrifft sie auch immer mehr Männer. Deswegen freuen wir uns, wenn wir auch Konstanzer Väter zu Wort kommen lassen können. Wenn du uns deine Geschichte nicht nur erzählen, sondern sie selbst aufschreiben magst, dann schreib uns eine Mail an redaktion@karla-magazin.de. Dann kann deine Geschichte schon bald bei karla Partizipation veröffentlicht werden. karla Partizipation ist unsere Plattform für Beiträge, die von euch Bürger:innen verfasst werden. 

Laura Herrmann, Hebamme: „Der Financial Load liegt bei mir“

„Meine Voraussetzung im Spital: keine Spät- und Nachtdienste. Während ich die Familie finanziell ernähre, ist mein Freund überwiegend zu Hause und übernimmt die Kinderbetreuung und den Haushalt. Sein Studium muss er dabei oft auf die lange Bank schieben. Ich finde das 50:50-Modell ist die beste Lösung. Der Wiedereinstieg kann niemals einfach sein, solange sich so wenig geteilt wird. Ich finde, dass die finanzielle Last, die Haushaltslast und die Kinderbetreuung auf beide Schultern verteilt werden muss, und das erlebe ich in meinem Umfeld tatsächlich nur selten. Wenn ich nach Hause komme, übernehme ich die Kinder. Dafür stelle ich meinen Teller auf die Spülmaschine und am nächsten Tag ist er weggeräumt. Ich genieße es, dass ich meinen Beruf als Hebamme, den ich sehr liebe, weiterhin ausüben kann. Dafür bin ich eben verantwortlich, dass genügend Geld auf dem Konto ist. Ich gehe guten Gewissens zur Arbeit, weil ich meine Kinder bei ihrem Papa und damit in guten Händen weiß. Auch wenn bei uns das klassische Modell – Mann arbeitet, Frau ist zu Hause bei den Kindern – umgekehrt ist, ergeht es uns aber wie anderen Paaren auch: Es gibt fast keine Zeit, die wir alleine als Paar miteinander verbringen können.“ 

Elena Enzmann, Sozialpädagogin: „Das erste Jahr war ich im Funktionsmodus.“

Das Foto zeigt Elena Enzmann

„Ich bin 41 Jahre und Sozialpädagogin. Ich habe zwei Mädchen im Alter von sechs und sieben Jahren. Aufgrund von familiären Beziehungen war es für mich kein Problem, einen Kitaplatz zu bekommen. Beim Wechsel in eine neue Kita nach einem Umzug wurde ich auf der Warteliste als Alleinerziehende nach Sozialplan bevorzugt. Vor dem Wechsel musste ich aber täglich zehn Kilometer pendeln. Zusätzlich zum Kitaplatz werde ich von meiner Mutter unterstützt.

Sie springt in erster Linie ein, wenn ich beruflich eingebunden bin, und betreut die Mädchen regelmäßig an zwei Nachmittagen in der Woche. Ansonsten wäre ich bei einer Wochenarbeitszeit von 32 Stunden durchgehend auf die Mittagsbetreuung der Schule angewiesen. Mein Wiedereinstieg in den Beruf fiel mit der Trennung meines Ex-Mannes zusammen. Da meine vorherige Stelle befristet war und in der Elternzeit auslief, musste ich mich zusätzlich in ein neues Aufgabengebiet einarbeiten. An die neue Stelle kam ich durch bestehende Kontakte aus der vorherigen Tätigkeit. Zum Zeitpunkt des Wiedereinstiegs war meine Tochter 10 Monate alt. Ich konnte das leider nicht frei wählen und für mich war es sehr schwer, ein so kleines Kind fremdbetreuen zu lassen. Rückblickend war das erste Berufsjahr als alleinerziehende, berufstätige Mama ein Existieren im Funktionsmodus. Und das, obwohl ich einen Kitaplatz hatte. Ich bin mit 20 Stunden gestartet und habe sie kontinuierlich erhöht. Letztlich auch wegen der steigenden Lebenshaltungskosten. Seitens des Vaters kam noch nie finanzielle Unterstützung, weshalb ich Unterhaltsvorschuss beziehe. Um den Wiedereinstieg in den Beruf für Frauen zu erleichtern, wünsche ich mir flexible Homeoffice-Regelungen in den Branchen, in denen das möglich ist.“ 

Nadja von Rudloff, Sonderschullehrerin: „Es ist mehr der psychische Druck.“

„Meine Mädchen sind jetzt 13 Jahre alt. Wir haben damals einen Kitaplatz bekommen, als die Zwillinge 1,5 Jahre alt waren. Bei Zwillingen bekommt man Extrapunkte im Vergabesystem. Ich hatte aber auch persönliche Kontakte zur Kita, das hat vermutlich auch geholfen. Als die beiden in der Kita waren, habe ich dann wieder gearbeitet. Ich bin Sonderschullehrerin und war nach der Elternzeit auf mein Gehalt angewiesen. Ein Wiedereinstieg mit Vollzeit war aber trotz Kitaplatz undenkbar.

Ich pendele nach Gailingen, also habe ich auch mit einer Teilzeitstelle immer mehr Stunden, weil zusätzliche Zeit für den Fahrtweg dazukommt. Ich hatte die ersten Jahre immer ein schlechtes Gewissen. Mutter sein ist ein Vollzeitjob und dann noch einen Teilzeitjob zu machen, da ist das Pensum einfach wahnsinnig hoch. Ich kam damals oft an meine Grenzen und vor allem habe ich immer das Gefühl gehabt, dass ich es beiden Seiten nicht recht machen kann. Mit Zwillingen hat man die doppelte Anzahl an Kinderkrankentagen und auch wenn mein Arbeitgeber verständnisvoll ist, habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mal wieder nicht kommen kann. Es ist viel mehr der psychische Druck, den ich mir selber mache als mein Arbeitgeber. Ich wünsche mir, dass die Gesellschaft sieht, dass eine Frau, die „nur“ 60 Prozent arbeitet, zu Hause Kinder, Haushalt und Verpflichtungen hat. Besonders als Alleinerziehende wünsche ich mir, dass das Gesamte honoriert wird. Es fehlt immer noch eine Wertschätzung. Ich habe oft den Satz gehört: „Ach, du arbeitest schon wieder, das ist ja toll.“ Aber mir hat niemand gesagt, wie toll es ist, dass ich mich auch um meine Zwillinge kümmere. Alle Mütter sind Powerfrauen!“

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